Um zu verhindern, dass der Erblasser vor seinem Tod sein Vermögen durch Schenkungen verringert und dadurch den Pflichtteil des Pflichtteilsberechtigten umgeht oder erheblich schmälert, steht diesem ein sogenannter Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen die Erben nach § 2325 BGB zu. Hierbei handelt es sich wie beim Pflichtteilsanspruch um einen reinen Zahlungsanspruch. Der Pflichtteilsberechtigte soll damit annähernd so gestellt werden, wie er stehen würde, wenn sich der verschenkte Gegenstand zum Todeszeitpunkt noch im Nachlass befände.
Dem Pflichtteilsberechtigten steht danach ein Zahlungsanspruch in Höhe seiner Pflichtteilsquote am Gesamtwert aller ausgleichspflichtigen Schenkungen zu. Ausgleichspflichtig sind dabei zunächst sämtliche Schenkungen des Erblassers. Nicht auszugleichen sind nach § 2330 BGB von vornherein sog. Anstandsschenkungen und Pflichtschenkungen, wie beispielsweise Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke, wenn sie sich im angemessenen Rahmen halten.
Zu beachten ist allerdings, dass § 2325 Abs. 3 BGB für ausgleichspflichtige Schenkungen das sog. Abschmelzungsprinzip vorsieht. Danach werden alle Zuwendungen, die bereits länger als 10 Jahre zurückliegen, nicht ausgeglichen. Für alle anderen Schenkungen gilt, dass für jedes Jahr, das die Schenkung bereits zurückliegt, 10 % vom Wert der Schenkung abgezogen werden.
Eine wichtige Ausnahme vom Abschmelzungsprinzip gilt es allerdings zu berücksichtigen: Es gilt nicht bei Zuwendungen an den Ehegatten. Sie sind stets mit 100 % anzusetzen. Erst mit Auflösung der Ehe beginnt die Frist zu laufen.
Beispiel: Verschenkte der Erblasser vier Monate vor dem Erbfall etwas, ist das Geschenk im Rahmen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs mit seinem vollen Wert anzusetzen. Sind bereits vier Jahre vergangen, sind nur noch 60 % des Wertes dem Ausgleich zugrunde zu legen.
Die Frist des § 2325 Abs. 3 BGB beginnt jedoch nicht zu laufen, wenn sich der Erblasser bei der Schenkung die wesentlichen Nutzungsrechte, wie beispielsweise den Nießbrauch, an dem Gegenstand vorbehält. Da in diesem Bereich jedoch noch sehr vieles strittig ist, empfiehlt sich, vor einer Schenkung unter Vorbehalt von Nutzungsrechten einen Fachmann aufzusuchen.
Für die Bewertung des Geschenks ist grundsätzlich der Verkehrswert anzusetzen. Der Bewertungsstichtag ist allerdings je nach Gegenstand des Geschenks unterschiedlich: Bei verbrauchbaren Sachen, beispielsweise Geld und Wertpapiere, ist der Wert zum Zeitpunkt der Schenkung anzusetzen. Bei nicht verbrauchbaren Gegenständen, beispielsweise einem Grundstück, ist bei den beiden in Betracht kommenden Stichtagen – Vollzug der Schenkung oder Erbfall – derjenige maßgeblich, zu dem das Geschenk weniger wert war. Aufgrund des Kaufkraftschwundes ist der Wert des Geschenks, egal ob es sich um einen verbrauchbaren oder nicht verbrauchbaren Gegenstand handelt, jedoch stets auf den Tag des Erbfalls umzurechnen.
Hat der Pflichtteilsberechtigte selbst Geschenke vom Erblasser erhalten, muss er sich diese nach § 2327 BGB auf seinen Pflichtteilsergänzungsanspruch anrechnen lassen, eine Anrechnungserklärung des Erblassers zum Zeitpunkt der Schenkung ist hierfür nicht erforderlich.
Ausnahmsweise besteht nach § 2329 BGB der Anspruch nicht gegen den Erben sondern gegen den Beschenkten, wenn der Erbe zur Ergänzung des Pflichtteils nicht verpflichtet ist. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Erbe die Haftung auf den Nachlass beschränkt hat. Der Pflichtteilsberechtigte kann dann von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks verlangen, sofern dieser noch bereichert ist. Möchte der Beschenkte das Geschenk behalten, kann er die Herausgabe des Geschenks durch Zahlung des fehlenden Betrags abwenden.