01/2022
München

Pflichtteil: Eidesstattliche Versicherung des Erben auch bei einem notariellen Nachlassverzeichnis

Der Bundesgerichtshof (vom 01.12.2021, Az.: IV ZR 189/20) hat entschieden, dass der Erbe auch dann zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verpflichtet ist, wenn er ein vom Notar aufgenommenes Nachlassverzeichnis vorlegt, bei dem Grund zur Annahme besteht, es sei nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt worden.

Rechtlich umstritten war, ob und welche eidesstattliche Versicherung der Erbe auf Verlangen des Pflichtteilsberechtigten abzugeben hat, wenn nicht der Erbe persönlich, sondern ein Notar ein Nachlassverzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt hat. Beispiel: Der Nachlass ist nicht vollständig aufgenommen worden. Nach dem Urteil beschränkt sich die eidesstattliche Versicherung des Erben nicht nur auf die Angaben, die im notariellen Nachlassverzeichnis als solche des Erben gekennzeichnet sind. Die eidesstattliche Versicherung erstreckt sich auf alle Angaben im notariellen Nachlassverzeichnis, auch wenn diese vom Notar ermittelt worden sind. Hält der Erbe aber Ergänzungen oder Berichtigungen für erforderlich, ist das in der eidesstattlichen Versicherung aufzunehmen. Denn der Erbe muss nichts beeiden, was er für falsch hält. Der Bundesgerichtshof hat die Stellung des Pflichtteilsberechtigten damit erneut gestärkt. Denn die eidesstattliche Versicherung hängt nicht von der Formfrage ab, ob ein Privatverzeichnis des Erben oder ein Amtsverzeichnis eines Notars vorliegt.

Praxistipp:

In der Regel empfiehlt es sich, dass der Pflichtteilsberechtigte zunächst die Vorlage eines vom Erben erstellten Nachlassverzeichnisses fordert. Denn ohne das Nachlassverzeichnis kann der Pflichtteilsberechtigte seinen Pflichtteil nicht beziffern. Falls dieses Verzeichnis zweifelhaft ist und keine Belege vorgelegt werden, kann der Pflichtteilsberechtigte die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses verlangen. Das vom Notar aufgenommene Nachlassverzeichnis hat zwar eine höhere Richtigkeitsgewähr, aber auch einige Nachteile. Denn der Notar benötigt erfahrungsgemäß einige Monate, um das Verzeichnis zu erstellen.

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