Die Erbrechtsreform ist durch. Der Bundestag hat das Gesetz heute Nacht verabschiedet. Es verrät Licht und Schatten. Neben begrüßenswerten Neuerungen stehen solche, die die Testierfreiheit über Gebühr einschränken und eine Quelle für Konflikte liefern werden.
Das Wichtigste:
Bisher konnte demjenigen der Pflichtteil entzogen werden, der einen ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandel geführt hat. Das wurde nunmehr gestrichen. Statt dessen ist die Entziehung jetzt möglich, wenn der Betreffende wegen einer Vorsatztat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt wurde. Das wird dem Grundsatz der Testierfreiheit nicht gerecht. Was muß heute jemand anstellen, um eine solche Strafe zu verwirken! Die Reform ist hier lebensfremd, weil vielfältiges schäbiges Benehmen, das bisher unter den Begriff „ehrlos“ fiel, nicht mehr zur Pflichtteilsentziehung ausreicht. Viele Menschen werden diese Einschränkung als Zumutung empfinden.
Gestaltungstip: Der Pflichtteil kann auch nach der Reform entzogen werden, wenn sich der Pflichtteilsberechtigte gegenüber dem Erblasser eines Verbrechens, einer Körperverletzung oder eines anderen vorsätzlichen schweren Vergehens schuldig gemacht hat. Zu letzterem zählen z. B. Diebstahl, Unterschlagung, schwere Beleidigung oder üble Nachrede. Darauf wird man in Zukunft bei der Entziehung des Pflichtteils häufiger abstellen.
Nach bisherigem Recht bezog sich der Pflichtteil in vollem Umfang auch auf Schenkungen, die der Verstorbene in den letzten zehn Jahren vor seinem Tod gemacht hatte (sogenannter Pflichtteilsergänzungsanspruch). Ausgenommen sind nur kleinere Gelegenheitsgeschenke. Nunmehr gilt das sogenannte Abschmelzungs-modell. Im ersten Jahr vor dem Erbfall wird die Schenkung voll berücksichtigt, innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils ein Zehntel weniger. Sind zehn Jahre seit der Schenkung verstrichen, wird sie für die Berechnung des Pflichtteils gar nicht mehr mitgerechnet.
Das ist eine sinnvolle Regelung, wird aber natürlich in Zukunft Streit darüber provozieren, wann eine Schenkung stattgefunden hat. Das ist Jahre später oft kaum rekonstruierbar.
Gestaltungstip: Hochbetagte Menschen haben, weil sie nicht daran glaubten, noch zehn Jahre zu leben, bisher häufig von solchen Schenkungen abgesehen. In Zukunft sind Schenkungen auch noch im hohen Alter sinnvoll, da sie unerwünschte Pflichtteilsansprüche zumindest teilweise reduzieren.
Hier haben der Rechtsausschuß des Bundestags und der Bundestag selbst für eine Überraschung gesorgt:
Bisher war es so, daß lebzeitige Schenkungen auf den Pflichtteil nur anzurechnen waren, wenn die Anrechnung spätestens bei der Schenkung zwischen Schenker und Beschenktem vereinbart wurde. Daran haben vor allem viele Eltern nicht gedacht, mit der Folge, daß man seinem Kind zunächst eine Schenkung machte, z. B. eine Immobilie, das Kind dann aber beim Tod des ersten Elternteils dennoch seinen vollen Pflichtteil verlangte, jedenfalls dann, wenn der überlebende Elternteil Alleinerbe war.
Die Bundesregierung hatte nun vorgeschlagen, daß die Anrechnungsbestimmung auch noch nachträglich im Testament des Schenkers getroffen werden kann. Das jedoch haben der Rechtsausschuß und der Bundestag überraschenderweise verworfen, obwohl der Vorschlag der Bundesregierung in den letzten Monaten nicht wirklich umstritten war.
Ergebnis: Nach der Entscheidung des Bundestags von heute nacht bleibt es also bei der bisherigen Rechtslage: Eine nachträgliche Anrechnungsbestimmung im Testament ist nicht zulässig. Die Bestimmung muß also wie bisher spätestens bei der Schenkung erfolgen.
Bisher konnten Abkömmlinge des Erblassers, die diesen während längerer Zeit gepflegt hatten, im Rahmen der Erbauseinandersetzung einen Ausgleich für diese Leistungen nur dann verlangen, wenn sie unter Verzicht auf berufliches Einkommen erbracht worden waren. In Zukunft besteht der Ausgleichsanspruch auch dann, wenn keine Einkommenseinbußen erfolgten.
Erbrechtliche Ansprüche verjähren nunmehr auch in drei Jahren (Regelverjährung des BGB). Ausnahmen: Herausgabeansprüche des Erben gegen den unberechtigten Erbschaftsbesitzer, des Nacherben gegen den Vorerben und der Anspruch des Erben auf Herausgabe des Erbscheins gegen den Nichterben. Hier bleibt es wie bisher bei der dreißigjährigen Verjährungsfrist.