Der BGH (v. 29.6.2022 – IV ZR 110/21) hat seine Wächterrolle für die Pflichtteilsberechtigten auch unter Geltung der europäischen Erbrechtsverordnung bestätigt. Es ging um folgenden Fall:
Ein gebürtiger Engländer lebte seit Jahrzehnten in Deutschland. Er gab seine englische Staatsangehörigkeit zu keiner Zeit auf. Auf Grundlage der europäischen Erbrechtsverordnung wählte er in seinem Testament englisches Erbrecht, das kein Pflichtteilsrecht der Kinder kennt. Nach seinem Tod berief sich sein Sohn darauf aber auf das deutsche Pflichtteilsrecht. Der BGH entschied, dass die Rechtswahl im Testament zugunsten englischen Erbrechts nicht anwendbar sei, da dies gegen den sog. ordre public in Art. 35 EUErbVO verstößt. Begründung des BGH:
Danach gilt trotz der Rechtswahl im Testament des Erblassers nicht englisches Erbrecht, sondern deutsches Pflichtteilsrecht.
Fazit: Der BGH hat einen weiteren Meilenstein gesetzt, um das Pflichtteilsrecht auch unter Geltung der europäischen Erbrechtsverordnung zu schützen. Lebt ein ausländischer Erblasser jahrzehntelang in Deutschland, so kann der Pflichtteil nach deutschem Recht nicht dadurch vermieden werden, dass der Erblasser in seinem Testament sein ausländisches Heimatrecht wählt, das kein Pflichtteilsrecht kennt. Dies war in der Rechtswissenschaft umstritten, da die europäische Erbrechtsverordnung die Rechtswahl des Erblassers für sein Heimatrecht unabhängig von seinem letzten gewöhnlichen Aufenthalt anerkennt.
Der BGH ist im Übrigen der Ansicht, dass er abschließend über den Fall entscheiden kann, und nicht der europäische Gerichtshof (EuGH).