Ein Pflichtteilsentzug kann nicht darauf gestützt werden, dass der Pflichtteilsberechtigte sich geweigert hat, den erkrankten Erblasser persönlich zu pflegen.
Das hat das Oberlandesgericht Frankfurt/Main mit Urteil vom 29.10.2013 (Az. 15 U 61/12) entschieden.
Der Entscheidung lag der Fall eines Erblassers zugrunde, der nach einem Unfall schwer verletzt wurde und seitdem pflegebedürftig war. In den Folgejahren kümmerte sich die Lebensgefährtin des Erblassers um ihn und betreute und pflegte ihn – zuletzt nahezu rund um die Uhr – bis zu seinem Tod. Die beiden erwachsenen Kinder des Erblassers kümmerten sich hingegen nicht um ihn. Zum Zeitpunkt des Unfalls war die Tochter des Erblassers, die Klägerin, 16 Jahre alt. Daraufhin ordnete der Erblasser in seinem handschriftlichen Testament an: „Auch die zwei Kinder A. (…) und K. (…) sollen nichts erben, da die Beiden mir auch die Hilfe und Pflege verweigerten.“ Zur Alleinerbin setzte er seine Lebensgefährtin ein.
Nach dem Tod des Erblassers machte eine Tochter ihren Pflichtteilsanspruch geltend. Die Alleinerbin lehnte dies ab mit der Begründung, der Erblasser habe seinen Kindern nicht nur das Erbe, sondern auch den Pflichtteil entzogen. Daraufhin erhob die Tochter Klage, mit der sie in erster und zweiter Instanz Erfolg hatte.
Die Begründung des Gerichts: Es könne offen bleiben, ob der Erblasser die Klägerin in seinem Testament lediglich enterben, oder ihr auch den Pflichtteil entziehen wollte. Es läge nämlich jedenfalls keiner der in § 2333 BGB aufgezählten Pflichtteilsentziehungsgründe vor. Nicht jedes Fehlverhalten eines Kindes, das zu einer Entfremdung oder zu einem Zerwürfnis mit dem Erblasser führt, rechtfertige den Vorrang der Testierfreiheit, da sonst das Pflichtteilsrecht der Kinder leer liefe und jede praktische Bedeutung verlöre.
Die Pflichtteilsentziehung nach § 2333 Abs. 1 Nr. 3 BGB könne nicht auf Versagung persönlicher Pflege im Krankheitsfall gestützt werden, da Unterhalt grundsätzlich nur als Geldleistung (§ 1612 BGB) geschuldet werde. Auch genüge für eine böswillige Verletzung der Unterhaltspflicht die bloße Leistungsverweigerung nicht, sondern diese müsse zusätzlich auf einer verwerflichen Gesinnung beruhen. Im Übrigen wäre die zum Zeitpunkt des von dem Erblasser erlittenen Unfalls erst 16-jährige Klägerin dem Erblasser ohnehin nicht gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet gewesen.