Ein Meilenstein: Der Bundesgerichtshof hat entschieden (vom 03.06.2020 – IV ZR 16/19, MDR 2020, 865), dass das Pflichtteilrecht nicht durch gesellschaftsrechtliche Konstruktionen bei vermögensverwaltenden Gesellschaften bürgerlichen Rechts ausgehöhlt werden darf.
Vereinfachter Fall: Der spätere Erblasser und seine zweite (etwa gleichalte) Ehefrau gründeten zwei vermögensverwaltende Gesellschaften bürgerlichen Rechts, in denen jeweils eine Immobilie eingebracht war. Eine Immobilie wurde vom Erblasser und seiner Ehefrau selbst genutzt. Die andere Immobilie wurde zu einer nicht marktgerechten Miete an einen Angehörigen vermietet. In den Gesellschaftsverträgen hieß es u.a.:
„Die Gesellschaft wird mit dem Tode eines Gesellschafters aufgelöst; der Anteil des verstorbenen Gesellschafters wächst dem Überlebenden an. Die Erben erhalten – soweit gesetzlich zulässig – keine Abfindung. Dieser wechselseitige Abfindungsausschluss beruht auf dem beiderseits etwa gleich hohen Risiko des Vorversterbens und ist im Interesse des jeweils überlebenden Gesellschafters vereinbart.“
Überdies setzte der Erblasser seine zweite Ehefrau als Erbin ein. Der Sohn des Erblassers aus erster Ehe wurde enterbt. Dieser verlangte nach dem Tod des Erblassers seinen Pflichtteil. Es kam zum Streit. Zwar waren die Gesellschaftsanteile des Erblassers im Wert der Immobilienanteile nicht im Nachlass, da diese der Witwe als überlebende Gesellschafterin anwuchsen. Der Bundesgerichtshof hat dem Sohn aber Pflichtteilsergänzungsansprüche zugesprochen. Denn die Anwachsung des Gesellschaftsanteils bei der Witwe als überlebende Gesellschafterin unter Ausschluss eines Abfindungsanspruchs sei eine Schenkung des Erblassers, § 2325 Abs. 1 BGB.
Wichtig: Bei nicht vermögensverwaltenden Personengesellschaften begründen gesellschaftsvertragliche Nachfolgevereinbarungen, auch wenn sie Abfindungsansprüche völlig ausschließen, grundsätzlich keine Schenkung, weil
(1) dem eine gesellschaftsrechtliche Zwecksetzung zur Sicherung des Fortbestands des Gesellschaftsunternehmens zugrunde liegt;
(2) bei einem für alle Gesellschafter geltenden Abfindungsausschluss keine unentgeltliche Zuwendung an die Mitgesellschafter, sondern ein zufallsabhängiges (aleatorisches) Geschäft vorliegt, bei dem jeder Gesellschafter das gleiche Risiko auf sich nimmt.
Fazit: Im Pflichtteilsrecht ist stets eine Enzelfallprüfung erforderlich, ob eine Schenkung durch einen gesellschaftsvertraglichen Abfindungsausschluss vorliegt. Dabei sind die Gesamtumstände zu berücksichtigen, worauf der Bundesgerichtshof hingewiesen hat.