Kaum einem Bürger konnte in den vergangenen Monaten das politische Gerangel um die Erbschaftsteuerreform ent- gehen. Im Januar ist das neue Gesetz nun in Kraft getreten. Die Bürger wissen zwar, daß es neue Regeln, Steuersätze und Freibeträge gibt. Vielen sind die konkreten Auswirkungen jedoch unklar – dies zeigt das enorme Interesse an den Informationsveranstaltungen des Deutschen Forums für Erbrecht in ganz Deutschland und die tägliche Beratungspraxis. Prof. Dr. Klaus Michael Groll, Fachanwalt für Erbrecht in München und Präsident des Deutschen Forums für Erbrecht, fasst die häufigsten zehn Fragen und Antworten zusammen:
Prof. Groll: „Für Erbfälle und Schenkungen ab dem 1. Januar 2009. Bei Erbfällen (nicht Schenkungen) zwischen dem 1. Januar 2007 und dem 31. Dezember 2008 kann allerdings noch bis zum 30. Juni 2009 ein Wahlrecht ausgeübt werden, ob altes oder neues Erbschaftsteuerrecht Anwendung finden soll, selbst wenn bereits ein Erbschaftsteuer- bescheid vorliegt. Eine Vergleichsrechnung kann also durchaus lohnen. Aber auch bei einer Entscheidung zugunsten des neuen Rechts bleibt es bei den alten (niedrigeren) Freibeträgen.“
Prof. Groll: „Ehegatten 500.000 EUR, Kinder 400.000 EUR, Enkel 200.000 EUR (400.000 EUR, wenn der die Verwandtschaft vermittelnde Elternteil, also das Kind des Erblassers, bereits verstorben ist), Urenkel 100.000 EUR, Eltern und Großeltern 100.000 EUR (im Schenkungsfall 20.000 EUR), Geschwister, Neffen, Nichten, Stiefeltern und Schwiegerkinder nur 20.000 EUR, sonstige entferntere Verwandte und z. B. nicht-eheliche Partner ebenfalls 20.000 EUR, eingetragene gleichgeschlechtliche Partner dagegen 500.000 EUR.“
Prof. Groll: „Bisher sehr unterschiedliche, je nachdem, ob es sich z. B. um Aktien, Immobilien, Festgelder, Kommandit- oder GmbH-Anteile gehandelt hat. Nach dem neuen Recht muß jedoch immer der Verkehrswert, also der wirkliche Marktwert zugrunde gelegt werden.“
Prof. Groll: „Bei unbebauten Grundstücken gilt der Bodenrichtwert (bei den Gutachterausschüssen der Gemeinden zu erfragen), und zwar ohne den bisherigen 20%igen Abschlag, bei Wohnungseigentum, Teileigentum, Ein- und Zweifamilienhäusern das sogenannte Vergleichswertverfahren (vergleichbare zeitnahe Verkäufe in der betreffenden Region). Mietwohngrundstücke, Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke, für die sich eine übliche Miete ermitteln läßt, werden nach dem Ertragswertverfahren bewertet. Läßt sich bei den genannten Immobilien eine übliche Miete nicht ermitteln bzw. fehlt es an einem Vergleichswert, gilt das sogenannte Sachwertverfahren.“
Prof. Groll: „Ja, am besten mit einem Sachverständigengutachten, das aber 1.500,00 EUR aufwärts kostet. Ohne Zweifel wird in Zukunft sehr viel mehr gestritten werden, denn naturgemäß werden das Finanzamt und der Steuerbürger eine Immobilie in der Regel unterschiedlich bewerten. Der Finanzverwaltung und auch den Finanzgerichten droht daher eine enorme Mehrbelastung.“
Prof. Groll: „Die Steuerfreiheit gilt für den überlebenden Ehepartner und die Kinder des Verstorbenen, bei letzteren jedoch nur, wenn die Wohnfläche 200 Quadratmeter nicht übersteigt. Der Erbe muß nach dem Erbfall mindestens zehn Jahre in dem Objekt wohnen, es sei denn zwingende Gründe stehen dem entgegen, vor allem natürlich der eigene Tod oder schwerwiegende gesundheitliche Beeinträchtigungen.
Erben mehrere Kinder zusammen, gilt die Begünstigung aber nur für das Kind, das die Immobilie bewohnt, für die anderen nicht. Ein krasser Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz! Aber wichtig, weil oft mißverstanden: Übersteigt das Erbe den Freibetrag nicht, kommt es nicht darauf an, wer wie lange in dem geerbten Objekt wohnt. Eine Erbschaftsteuer fällt dann ohnehin nicht an.“
Prof. Groll: „Das hängt vom Einzelfall ab. Die Anhebung der Freibeträge führt einerseits in nicht wenigen Fällen zur Steuerfreiheit. Da jetzt jedoch immer der volle Verkehrswert zugrunde zu legen ist, bedeutet das vor allem bei Immobilien, die bisher nur mit zirka 50 bis 60 Prozent des Verkehrswerts bewertet wurden, vielfach eine Steuererhöhung. besonders in Regionen mit hohen Grundstückswerten, so in Oberbayern.
Beispiele: Vererbt ein Onkel seiner Nichte eine Immobilie im Verkehrswert von 600.000 EUR, zahlte sie bisher zirka 63.000 EUR, in Zukunft zirka 174.000 EUR. Schlimm kann sich auch die Vererbung oder lebzeitige Übertragung von Betrieben auswirken, wenn es dem Nachfolger nicht gelingt, die gesetzlichen Verschonungsbedingungen zu erfüllen. In Einzelfällen muß hier mit dem Zehn- bis Fünfzehnfachen der bisherigen Steuer gerechnet werden
Prof. Groll: „Er muß den Betrieb zehn Jahre fortführen, darf keine Überentnahmen tätigen, muß dafür sorgen, daß der Anteil des Verwaltungsvermögens (z. B. vermietete Immobilien, Wertpapiere, Pensionsrückstellungen) nicht zehn Prozent des Gesamtbetriebsvermögens übersteigt, und er darf in den zehn Jahren in der Summe nicht weniger als 10 X 100 Prozent = 1.000 Prozent der Löhne und Gehälter zahlen, die der Betrieb in den letzten fünf Jahren vor dem Betriebsübergang jährlich durchschnittlich gezahlt hat. Führt er den Betrieb sieben Jahre fort, sind die Bedingungen etwas milder, aber dann müssen 15 Prozent des Betriebsvermögens sogleich versteuert werden. Die Entscheidung, ob der Betrieb mindestens sieben oder zehn Jahre fortgeführt werden soll, muß der Übernehmer übrigens zusammen mit der Erbschaftsteuererklärung verbindlich treffen. Er kann sie nachträglich nicht mehr ändern.“
Kommentar von Prof. Groll: „Ein bürokratisches Monster, ein typisch deutsches Gesetz. Wir können offenbar nicht anders. Weder der Unternehmer noch die Finanzverwaltung sind im Stande, diesen Vorgaben gerecht zu werden.“
Prof. Groll: „Ja, denn der Adoptierte wird erbschaftsteuerlich wie ein eigenes leibliches Kind behandelt. Auch Erwachsene können adoptiert werden.
Voraussetzung: Es muß quasi ein Eltern-Kind-Verhältnis bestehen, das bedeutet: enges Vertrauensverhältnis, gegenseitige Fürsorge, gemeinsame Familienfeiern und Reisen, etc. Der Adoptionsantrag bedarf sorgfältigster Begründung.“
Prof. Groll: „Eher nicht, da keine Regierung gerne auf diese Einnahmen verzichtet. Allerdings könnte eine schwarz-gelbe Koalition durchaus mit der Abschaffung der Erbschaftsteuer liebäugeln. Das Beispiel Österreich macht vielleicht Mut, vor allem wird man im Herbst schon erste ernüchternde Erfahrungen mit dem neuen Gesetz gemacht haben, vor allem die Finanzämter.
Spätestens das Bundesverfassungsgericht jedoch wird das Gesetz in einigen Jahren kippen, denn die Reform verletzt die Eigentumsgarantie, den Gleichheitsgrundsatz und die freie Entfaltung der Persönlichkeit (etwa der Zwang zum Umzug in die geerbte Immobilien, um der Erbschaftsteuer zu entgehen). Die Bürokratie, die gegen alle unternehmerische Vernunft Betriebsnachfolgern abverlangt wird, berührt letztlich auch die Menschenwürde des Art. 1 Grundgesetz.“